Manchmal wird ein Abschied zum Moment, in dem sich ein musikalisches Zeitalter bündelt. The Last Waltz zeigt, wie ein letzter Tanz zur Chronik eines Übergangs wird – und zur vielleicht schönsten Selbstdeutung amerikanischer Musik.
Ein Abschied, der zum Anfang eines Mythos wurde. Thanksgiving 1976, Winterland Ballroom, San Francisco: The Band bittet zum letzten Tanz. Bill Graham serviert Truthahn, gönnt dem Saal ein Vorprogramm, das schon für sich genommen ein Fest ist. Aus dieser Nacht schneidet Martin Scorsese später einen Film, 1978 erscheint die dazugehörige Platte. Beides, Film und Album, sind weniger Dokument als Verdichtung: ein Blick, der einen Übergang festhält.
The Band – vier Kanadier und Levon Helm aus Arkansas – hatte da längst ein eigenes Idiom gefunden: Folk, Rhythm & Blues, Country, Gospel, ohne Zierrat, eine Schule der Ökonomie. Nichts ist zu viel, alles hat seinen Platz. An diesem Abend wird das Eigene spiegelnd erweitert: Die Gäste treten wie Nachbarn durch die offene Tür – Bob Dylan, Joni Mitchell, Van Morrison, Muddy Waters, Neil Young, Eric Clapton – und plötzlich ziehen sich Linien durch den Raum, die aus einzelnen Geschichten eine Landkarte machen.
Die Bilder sind warm, fast bühnenstaubig; 35 mm Korn über Gold und Rot. Scorseses Kameras suchen Nähe und halten doch die Distanz des Chronisten. Nicht alles entsteht auf der Bühne: «Evangeline» mit Emmylou Harris und «The Weight» mit den Staple Singers werden nachträglich für die Kamera neu eingerichtet. Das schmälert nichts; im Gegenteil, es erinnert daran, dass Authentizität hier weniger Herkunft als Haltung ist.
Musikalisch bleibt die Balance das Wunder. Levon Helms Drums atmen breit, Rick Dankos Stimme trägt eine helle Melancholie, Richard Manuel öffnet die Lieder nach oben, Garth Hudson zieht mit Orgel und Keyboards feine Linien, und Robbie Robertson hält das Ganze trocken und präzise auf Gitarrenhöhe zusammen. Der erweiterte Bläsersatz, hörbar von New Orleans geschult, legt Glanz über den Abend, ohne ihn zu verstellen.
Einige Szenen brennen sich ein: Muddy Waters stampft «Mannish Boy» als Lehrstunde in Souveränität; Van Morrison schleudert «Caravan» ins Rund und hebt für den Schluss tatsächlich die Füsse vom Boden; Joni Mitchells «Coyote» spannt ein rhythmisches Geflecht aus Zartheit und Entschlossenheit. Am Ende das gemeinschaftliche «I Shall Be Released» – Pathos, ja, aber getragen von einer Brüchigkeit, der man glauben kann.
Spätere Restaurierungen haben den Rang nur bekräftigt. Entscheidend bleibt: The Last Waltz ist ein bewusst inszenierter Abschied, der nicht schliesst, sondern rahmt. Seit jener Nacht hat sich das Bild amerikanischer Musik vielfach verschoben; hier erscheint es in einer Form, die hält. In Zeiten, in denen der Konzertfilm gern zum Content schrumpft, erinnert dieses Werk daran, dass Aufzeichnung Kunst sein kann – und dass ein letzter Tanz bisweilen erst der Anfang der Erinnerung ist.
(Bild: ZUMA Press, Inc. / Alamy stock photo)